Frauennetzwerke sind ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Bestandteil feministischer Gleichstellungsarbeit. Sie bieten ihren Mitgliedern Vorteile wie Erfahrungsaustausch, Unterstützung bei der Karriereentwicklung und Förderung weiblicher Führungskräfte. Sie haben aber auch ihre Grenzen.
Frauen sind in Deutschland in vielen gesellschaftlichen Bereichen gegenüber Männern benachteiligt. Diese Benachteiligung ist statistisch belegt, z.B. durch den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen (knapp 30 Prozent) oder den sogenannten Gender Pay Gap (knapp 18 Prozent im Jahr 2022). Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Strukturelle Gegebenheiten wie die traditionelle geschlechtsspezifische Aufteilung des Arbeitsmarktes, typische „Frauenberufe“ oder der hohe Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen spielen eine entscheidende Rolle. Ein zentraler Treiber dieser Ungleichheiten ist die ungleiche Verteilung der Familienarbeit zwischen Frauen und Männern. Darüber hinaus erschweren von Männern dominierte informelle Netzwerke, Frauen den Zugang zu Führungspositionen in Wirtschaft, Kultur, Medien, Sport, Verwaltung, Politik und Verbänden.
Das Bekämpfen der strukturellen Benachteiligung von Frauen ist vielen Teilen unserer Gesellschaft ein wichtiges Anliegen. Die Motive hierfür sind zum einen ideeller, zum anderen ökonomischer Natur. Wir verweisen hierzu auf unseren Beitrag im Verbändereport, Ausgabe 5/2022.
Frauennetzwerke seit Beginn des 20. Jahrhunderts
Eine nicht zu unterschätzende Rolle im Einsatz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft spielen Frauennetzwerke, die als Verbände oder in Verbänden bestehen.
Die Entstehung solcher Netzwerke reicht bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts. Seitdem haben sie sich kontinuierlich weiterentwickelt und sind bis heute ein wichtiger Bestandteil feministischer Arbeit. Diese Netzwerke bieten ihren Mitgliedern die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und gemeinsam für die Interessen von Frauen einzutreten.
Es gibt zahlreiche Beispiele für Verbände, die sich explizit als Frauennetzwerke verstehen. Dies sind z.B. Verbände von berufstätigen Frauen wie der Verband deutscher Unternehmerinnen e.V., der seit 1954 branchenübergreifend die Interessen von Unternehmerinnen vertritt, der Deutsche Ärztinnenbund e.V., der Deutsche Akademikerinnenbund e.V. und viele mehr.
Viele Verbände fördern aktiv Frauen in ihrer Berufsgruppe oder Branche und unterhalten dazu Frauennetzwerke in ihren Strukturen. Nach unserer Wahrnehmung stehen insbesondere Branchen und Berufsgruppen im Fokus, die historisch eher männlich geprägt sind. Dies sind technische und digitale Berufe oder das Handwerk. In vielen Kammern gibt es Frauennetzwerke. Aber auch in Verbänden der Kultur-, Medien- oder Kreativberufe sind solche Netzwerke verbreitet.
Die Vorteile von Frauennetzwerken liegen auf der Hand:
- Erfahrungs- und Wissensaustausch inkl. Peer-Mentoring, Coaching zur Karriereentwicklung, Best Practices und Strategien im Umgang mit bestehenden strukturellen Diskriminierungen in Unternehmen und Institutionen.
- Möglichkeit, spezifische Interessen und Bedürfnisse innerhalb der eigenen Organisation oder gegenüber Politik und Gesellschaft zu artikulieren.
- Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen.
- Soziale Anknüpfungspunkte unter Frauen innerhalb der eigenen Berufsgruppe oder Branche.
Wo Frauennetzwerke an Grenzen stoßen
Obwohl Frauennetzwerke eine wichtige Rolle beim Empowerment von Frauen und bei der Förderung der Gleichstellung spielen, haben sie auch ihre Grenzen. Zum einen sind reine Frauennetzwerke aufgrund der bestehenden Unterrepräsentanz in Führungspositionen weniger karrierefördernd als gemischte oder reine Männernetzwerke. Zum anderen gibt es sozial erlernte Unterschiede zwischen Frauen und Männern, Netzwerke zum eigenen Vorteil aufzubauen und zu pflegen. Frauennetzwerke sind tendenziell problemzentriert, d.h. es werden vor allem Erfahrungen ausgetauscht, Frauen bestärken sich gegenseitig in ihrer jeweiligen Wahrnehmung.
All dies führt noch nicht zu Veränderungen in Richtung Geschlechtergerechtigkeit. Die Veränderung von Mechanismen und Strukturen, die gleiche Aufstiegschancen in Führungspositionen verhindern, erfordert den Austausch von Frauen und Männern. Um Gleichberechtigung zu erreichen, müssen Denkmuster (z.B. bei den Auswahlkriterien für Führungskräfte) und bestehende Arbeitsstrukturen (z.B. durch Quotenregelungen, Top-Sharing-Modelle und flexible Arbeitsbedingungen) so verändert werden, dass mehr Frauen in Führungspositionen gelangen. Darüber hinaus ist es notwendig, dass sich Frauen und Männer mit den vorherrschenden Einstellungen und Verhaltensweisen des jeweils anderen Geschlechts auseinandersetzen. Dies erfordert Austausch und Kommunikation zwischen Frauen und Männern.
Die Erfahrung zeigt, dass der Veränderungswille in etablierten, eher männlich dominierten Netzwerken nicht unbedingt stark ausgeprägt ist. Schlimmstenfalls werden Frauennetzwerke auch als „Feigenblatt“ für die fehlende Arbeit am System zur Förderung der Gleichberechtigung benutzt. Für Frauen ist es daher nach wie vor wichtig, die informellen Regeln der bestehenden Arbeitswelt zu kennen und Strategien für den Umgang damit zu erlernen. Beispiele sind
Spezialisierung auf ein oder mehrere Themen / Aufbau von Expertenwissen
- Spezialisierung auf ein oder mehrere Themen / Aufbau von Expertenwissen
- Selbstmarketing
- Strategisches Netzwerken
- Durchsetzungsstärke
Frauennetzwerke in Verbänden strukturell einbinden
Abschließend ein Blick auf die Verbände selbst. Die eingangs genannten Benachteiligungen von Frauen gelten – mit Ausnahme der dezidierten Frauennetzwerke – auch für Verbände. Dabei können Verbände häufig auf einen breiten Pool an weiblichen Fachkräften zurückgreifen. Dennoch sind Vorstände und hauptamtliche Leitungsebenen überwiegend männlich besetzt.
Frauennetzwerke in Verbänden können ein positiver Katalysator für die Gewinnung von Frauen für ehrenamtliche Führungspositionen sein. Allerdings reicht es nicht aus, solche Netzwerke zu haben. Sie müssen auch sinnvoll in die Entscheidungsstrukturen der Organisationen eingebunden sein, um eine geschlechtergerechte Wirkung zu entfalten. Hier sehen wir in vielen Organisationen noch Entwicklungsbedarf.
Auf der hauptamtlichen Ebene ist es aufgrund der geringen Größe der hauptamtlichen Teams in den meisten Organisationen ohnehin schwierig, eigene Frauennetzwerke zu etablieren. Ausnahmen bilden die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sowie Kammern und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, die über umfangreiche hauptamtliche Arbeitsstrukturen verfügen.
Definitiv ein Zukunftsthema
Gleichwohl ist das Thema „Geschlechtergerechtigkeit“ auch für die hauptamtliche Ebene der Verbände ein wichtiges Zukunftsthema. Dabei geht es nicht nur um eine gerechtere Gesellschaft, sondern auch darum, die Leistungsfähigkeit der Verbände im zunehmenden Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte zu erhalten und weiter zu verbessern. Über den Aufbau von Frauennetzwerken hinaus gibt es gut strukturierbare Prozesse der Organisationsentwicklung für Verbände. Dazu gehören
- organisationale Lernprozesse und
- die Entwicklung von kontextbezogenen Strategien zur Förderung von Vielfalt und Leistungsfähigkeit in den Führungsebenen der Verbände.
Wir bieten auf die spezifische Situation von Verbänden zugeschnittene Workshops und weitere Beratungsmodule an. Ziel dieser Bausteine ist es, Bewegung in die Arbeit „am System“ zu bringen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Frauennetzwerke sind ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Bestandteil feministischer Gleichstellungsarbeit. Sie bieten ihren Mitgliedern Vorteile wie Erfahrungsaustausch, Unterstützung bei der Karriereentwicklung und Förderung weiblicher Führungskräfte. Sie haben aber auch ihre Grenzen. Um die Gleichstellung im beruflichen Kontext zu verbessern, müssen Denkmuster und Arbeitsstrukturen verändert werden. Auch Verbände sollten sich für Geschlechtergerechtigkeit engagieren und Frauennetzwerke als Katalysator nutzen, um ihre Leistungsfähigkeit im Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte zu erhalten und zu verbessern.
Dieser Artikel ist 2023 im Verbändereport Ausgabe 6 erschienen. Ihre Autoren sind Michaela Walton und Stephan Mellinghoff.
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